Schandmaul - Anderswelt
Nach Neuland betreten wir heute eine “Anderswelt”: Am 04. April 2008 erscheint bei F.A.M.E. Recordings das neue Schandmaul Album mit dem Titel Anderswelt.
Anderswelt ist das 6 Studioalbum der Band in den vergangenen 10 Jahren. Umtriebig, möchte man meinen, insbesondere wenn man noch die beiden Livealben sowie Live DVDs mit in die Liste aufnimmt.
Im Titel von Schandmauls Webseite findet man zur Zeit die Headline “deutschsprachige Mittelalter-Folk-Rock-Live-Band”. Ich denke, dass dieser Claim Kritikern deutlich zu viel Angriffsfläche bietet. Ich erinnere mich mit Grausen an den hämischen Kommentar des Sterns vor 2 Jahren zur recht hohen Chartposition von “Mit Leib und Seele” (mein damaliger Bericht): Man hatte den Eindruck, dass vor 2 Jahren die Welle um Heavy Metal im allgemeinen und Mittelalter im speziellen noch nicht so hoch schwappte und die Redakteure Menschen mit Drehleiern und Dudelsäcken irgendwie suspekt fanden.
In meinen Ohren spielen Thomas, Anna, Birgit, Martin, Matthias und Stefan deutschsprachige Weltmusik, offen für jede Form von Einflüssen, aber immer mit Leib und Seele und ich bin mir sicher, dass darin neben den talentierten Musikern, die Wurzel des Erfolgs zu suchen ist: Welche zusammengecastete und gebastelte Band kann das denn heute noch von sich behaupten? Irgendwann merkt es auch der letzte, das jeder trainierte Affe zielgruppenorientiert produzieren kann.
Zurück zu Schandmaul. Stefan meint: “Lieblose Plastik-Cases wirst du bei uns nie finden, sondern ausschließlich aufwendige Digipacks mit fettem Booklet. Wer 15 Euro für eine CD bezahlt, soll auch was Ordentliches für sein Geld bekommen!” und Recht hat er: Die Weg in die Anderswelt führt durch ein Hochglanzcover mit “persönlicher” Begrüßung, sämtlichen Texten und passenden Illustrationen:
Wenn es etwas zu meckern gibt, dann nur, dass es von den schönen Bandfotos nur ein einziges ohne “mittelalterliche” Gewandung ins Booklet geschafft hat.
Was mir beim Schmökern natürlich sofort ins Auge gefallen ist, ist der Hinweis, dass Schandmaul auch in der Anderswelt ohne Synthesizer und ähnliche Klänge aus der Dose auskommen. Das erinnert mich frappierend an die ersten Queen Alben bis Anfang der 1980er Jahre: Queen schrieben auch immer dazu, dass die extravaganten Töne “echt” waren und keine Synths genutzt wurden.
Bei fast allen Schandmaulalben ging es mir so, dass mir die Musik wenig Spaß macht, wenn ich sie nebenbei höre… Die Musik wirkt auf mich irgendwie nur mit der Geschichte dazu oder halt live zum abrocken. Klingt komisch, ist aber so ;) Aber deswegen sind die Texte ja auch im Booklet abgedruckt.
Der Opener “Frei” erinnert mich textlich an das großartige “Leb!” vom “Wie Pech und Schwefel” Album und wird sicherlich live genauso mitreißen können wie er es als erstes Lied vom Album tut.
Ich wollte eigentlich nicht anfangen, Texte zu interpretieren, das soll mal jeder für sich machen, aber “Frei” passt gerade so schön, weil ich die Tage noch dachte, dass wir uns alle mit einem Haufen Ballast fesseln, ob es unnützer Besitz ist, die Beschäftigung mit nicht-funktionierenden Dingen oder vergeudetem Ärger: Die Zeit, die man hat, ist für diesen Blödsinn eigentlich zu knapp bemessen.
Beim “Krieger” stellt sich mir die Frage, ob sich nicht doch der eine oder andere Weto Einfluss in Schandmauls Musik geschlichen hat, musikalisch wie stimmlich. Nichts desto trotz, starker Song und kraftvolle Musik: Hier passen wuchtige (Metal) Drums, Dudelsäcke und Geigen perfekt zusammen und zeigen gleichzeitig die absolut gelungene Produktion: Das Ergebnis hört sich nicht nach “mal gerade alle Regler auf rechts” Soundbrei an (den man leider mittlerweile gerade im Rahmen von Onlinestores immer öfter vorgesetzt bekommt), sondern nach einem liebevollen Arrangement einer Vielzahl von Spuren.
Wer sich für das Thema “beschädigte Musik” und den übertriebenen Einsatz vom Kompressor interessiert, sollte sich mal den Artikel How CDs are remastering the art of noise im Guardian durchlesen oder die deutschsprachen Informationen hier durchlesen.
Der Titeltrack “Anderswelt” ist ein angenehm verspielter Song… Allerdings, wie kommt man auf einen Ausdruck wie justemang (gerade im Augenblick)?
“Die zweite Seele” hat eine rockige Grundstimmung mit schönen Chören, kann mir vorstellen, dass der Song live gut wirkt. Die Gitarre in den Strophen klingt ähnlich spannend wie im Song “Die Melodie”, der letzten Monat exklusiv auf der CD Beilage des Sonic Seducers erschienen ist.
Das “Missgeschick” ist lustiger Song, der zumindest uns Männern unter die… eh… Haut geht mit einer gehörigen Portion Selbstironie zum Schluss.
In gewisser Hinsicht ist das Lied typisch für das Album und auch für Schandmaul: Alles in allem eine viel entspanntere Stimmung als noch “Mit Leib und Seele”; keine übertriebene Ernsthaftigkeit, sondern Spaß an der Sache Musik.
Zwar fehlt dem Album eine wirklich tolle Ballade wie “Kalte Spuren”, aber “Stunde des Lichts” ist ein enorm kraftvolles Lied, in dem man obendrein die Teufelsweiber der Band etwas weiter im Vordergrund zu hören bekommt. Ebenfalls großartig, wie quasi alle Trademarks der Band in diesem Lied präsentiert werden.
“Fiddlefolkpunk” ist auf den ersten Blick zwar ein etwas merkwürdiger Name für das instrumentale Stück des Albums aber nichts desto trotz, ein passender. Nun ist Punk nicht unbedingt ein Synonym für Weltmusik, aber hey, erstens klänge das doof und zweitens, charakterisiert ein “mach was Du willst” dieses Lied auch viel besser.
Alles in allem gefällt mir das Album bereits jetzt deutlich besser als “Mit Leib und Seele”, von dem mir 2 Stücke ob persönlicher Gründe oft und gerne im Ohr hängen, mir auf Dauer aber zu wenig Substanz hat im Vergleich zu anderen Schandmaulalben.
Ich denke zwar nicht, dass Schandmaul unbedingt für “jeden” etwas ist, denn irgendwie muss man sich schon drauf einlassen, aber das Ergebnis ist Musik, die gute Laune macht und die die Menschen dahinter deutlich zeigt und darüber hinaus angenehm weit abseits vom Klischee einer typischen Mittelalterband liegt.
Darüber hinaus bin ich überzeugt und hoffe nicht nur, dass Anderswelt ein Erfolg wird und es beim Jubiläumskonzert in München ordentlich etwas zu feiern gibt. Außerdem kann ich ruhig zugeben, dass ich manchmal ja ein wenig neidisch bin auf eine solche Erfolgsgeschichte oder zumindest Respekt habe vor den Künstlern, die ihren Traum so konsequent durchziehen und damit Erfolg haben.
“Anderswelt” gibt es ab dem 04. April käuflich zu erwerben, bis dahin kann man die Wartezeit mit folgenden Webseiten überbrücken:
Tourdaten gibt es auf der offiziellen Seite oder aber auch hier, die wirklich tollen Fotos habe ich leider nicht selber gemacht, die sind von F.A.M.E. Recordings.
Geschrieben am Montag, 24. März 2008 von Michael J. Simons in CDs und verschlagwortet mit